Was hat es mit den Karten von Arthur Edward Waite und Pamela Colman Smith (1878-1951) auf sich? Wann entstanden die mittlerweile am meisten verwendeten Tarotkarten und von wem ließen sich beide inspirieren? Hier eine kleine Exkursion…
Arthur Edward Waite (1857 – 1942) ist Schöpfer der beliebten „Rider-Waite-Karten“, der bis heute populärsten Tarotkarten. Der gebürtige Amerikaner und esoterische Schriftsteller lebte in England, wo er vor seiner Tätigkeit beim Golden Dawn Orden in der Theosophischen Gesellschaft tätig war. Dort übersetzte er Ende des 19. Jahrhunderts die Werke von Papus und Lévi, was ihn veranlasste, sich näher mit dem Tarot zu beschäftigen. So schloss er sich Ende des 19. Jahrhunderts dem Golden Dawn Orden an.
Nach der Spaltung des Ordens übernahm Waite 1903 die Leitung des Londoner Tempels. Waite nahm auch ein paar Änderungen vor: So tauschte er den Namen des Ordens „hermetic“ (hermetisch) in „holy“ (heilig). Einige Tarotforscher glauben, dass er sich ausdrücklich von der ägyptischen Herkunft des Tarots distanzierte , andere Autoren hingegen bringen sein Tarot in Zusammenhang mit ägyptischer Weisheit. Doch es gibt wiederum auch die Vermutung, Waite sei sich diesbezüglich selber nicht schlüssig gewesen bzw. hätte seine Meinung oft geändert. Tatsache ist, dass Waite selbst Parallelen zur Alchemie und zur Kabbala bildete und die Nummerierung der hohen Arkana mit der Reihenfolge des hebräischen Alphabets in Verbindung setzte. Er entwickelte die Ideen von Eliphas Lévi weiter, indem er die Herangehensweise auch noch mit den Pfaden auf dem kabbalistischen Lebensbaum verquickte. Die von Israel Regardie 1935 veröffentlichten Bände mit dem Wissen des Golden Dawns soll von Waite scharf kritisiert worden sein. Allerdings sollte man wissen, dass Regardie der Sekretär von Crowley war. Und Waite und Crowley waren bekanntlich Feinde.
Pamela Colman Smith (1878 -1951) war das Kind eines Amerikaners und einer Jamaikanerin und arbeitete als Künstlerin und Autorin. In Manchester, wo sie auch aufwuchs, kam sie bald mit dem Spiritismus, dem auch ihre Mutter nahe stand, in Berührung. Bis heute ist es unklar, wer in dem gemeinsamen Tarot-Projekt mit Waite eigentlich die Führung hatte. Tatsache ist allerdings auch, dass sich Colman Smith von diesem Malauftrag nicht allzu viel erhoffte: In einem Brief von 1909 erwähnte sie beispielsweise, dass es sich „viel Arbeit“ für „wenig Geld“ handele, lässt aber auch erkennen, dass sie dringend Geld brauche.
Das legendäre Deck, das bis heute am meisten verwendet, unzählige Male kopiert wurde und immer wieder als Inspirationsquelle für neue Decks dient, erschien 1910 im Londoner Verlag William Rider & Son. Der Name des Verlegers ist es auch, der den Namen des Kartendecks bis heute mitbestimmt. Erst seit wenigen Jahren setzt sich die Bezeichnung „Waite-Smith-Tarot“ durch. Man könnte nun sagen, dass Waite die Illustrationen diktierte, denn in der Darstellung hielten sich Smith an sein Wissen als Mystiker und bekennender Katholik. Doch auch hier wissen wir nicht, wie viel künstlerische Freiheit Smith hatte, denn auch sie konvertierte kurze Zeit später – 1911 – zum katholischen
Glauben. Ansonsten orientiert sich der Waite-Smith-Tarot er sich an der klassischen Symbolik – bis auf einige Ausnahmen: Die Karten VIII (Gerechtigkeit) und XI (Kraft) wurden in der numerischen Reihenfolge vertauscht. Die Gerechtigkeit erhielt also die Nr. 11, während die Kraft auf Platz 8 der hohen Arkana geschoben wurde. Bei einigen Karten nahm er Änderungen in der Symbolik vor: So bei der Darstellung der Karte Nr. XIX, die Sonne. Waite zeigt ein Kind auf einem Pferd, während auf den anderen Decks zwei Kinder zu sehen sind. Die Karte XIX Sonne bildet somit einenGegenpol zur Karte XIII „Der Tod“ und verkörpert somit den Aspekt der Wiedergeburt. Ähnlich wurde mit der Karte XV „DerTeufel“ verfahren, die nun den (finsteren) Gegenpol zu der Karte VI „Die Liebenden“ darstellt. Neu ist auch seine Gestaltung des Herrschers: Dieser wurde mit der Veröffentlichung des Decks erstmals frontal gezeigt, während er auf früheren Kartendecks (mit Ausnahme des Decks des Golden Dawn Ordens) nur von der Seite zu sehen ist. In diesem Zusammenhang wurde Waite in der Vergangenheit die wissentliche und vorsätzliche Verfälschungen der kabbalistischen und alchemistischen Bedeutung vorgeworfen (beispielsweise von Edgar Case). Tatsächlich ist jedoch von meiner Seite aus anzumerken, dass sein Buch „Der Bilderschlüssel zum Tarot“ tatsächlich so wirkt, als möchte er den nicht eingeweihten Leser absichtlich im Unklaren lassen.
Revolutionär am Waite-Smith-Deck war auch die Neugestaltung der kleinen Arkana , denn bis zur Erscheinung des Decks waren diese 56 Karten nur mit Illustrationen der jeweiligen Farbe des Satzes sowie einer Zahl gekennzeichnet. Waite und Smith hingegen zeigte erstmals Bilder mit aussagekräftigen Illustrationen, so dass die Bedeutung der einzelnen Karten veranschaulicht und erleichtert wurde. Dies ist vermutlich auch ein Grund, warum seine Karten so außerordentlich populär wurden und bis heute in millionenfacher Auflage erschienen sind.
Doch mittlerweile besteht Grund zu Annahme, dass sich einer der Bieden von dem Sola-Busca-Tarot inspirieren ließ; denn in diesem Deck sind nicht nur die kleinen Arkana sehr anschaulich illustriert, sondern es bestehen große Ähnlichkeiten zwischen einzelnen Karten aus beiden Decks, wie z.B. bei den 3 der Schwerter oder 10 der Schwerter.
Zurück zu Arthur Waite, der nicht nur mit der Veröffentlichung dieses Kartendecks unsterblich wurde. Auch innerhalb seines Ordens soll er sämtliche Rituale seiner späteren Bruderschaft der Rosenkreuzer in Gedichtform entworfen haben. Außerdem soll Waite noch bis zu seinem Tode sämtliche ausgefeilte Rituale für seinen Orden erarbeitet haben. Ihre korrekte Aufführung verlangt von jedem Ordensteilnehmer einen so hoch entwickelten Bewusstseinsgrad, dass sie faktisch nicht für jeden durchführbar sein sollen – und dies gilt sowohl für gestern als auch für heute. Außerdem soll Waite insgesamt 46 Bücher geschrieben und 40 weitere übersetzt und herausgegeben haben. Dennoch sind die Biographien über Waite und sein Wirken innerhalb der „Fellowship of Rosy Cross“ eher spärlich. Manche Tarotforscher sehen die Gründe darin, dass Angehörige von Waite größtenteils noch am Leben sind und der Orden unverändert existiert. In der breiten Tarotwelt wird Waite zweifellos wegen seines symbolträchtigen Kartendecks gewürdigt; andere Forscher des Okkulten loben Waite für seine frühen Lévi-Übersetzungen, seine Arbeit am Tarot und seine alchemistischen Studien. Für einige „Insider“ sind das Wichtigste jedoch seine mystischen Werke.
Was jedenfalls den Tarot anbelangt, konnte dank Tali Goodwin und Marcus Katz von den Tarotprofessionals auch nochmal Licht ins Dunkel gebracht werden! In ausführlicher Recherche haben beide herausgefunden, dass sich Pamela Colman Smith bei der Gestaltung der Karten von real existierenden Landschadtsformen und Gebäude inspirieren ließ. Das interessante Buch wird voraussichtlich April 2015 unter dem Titel „Secrets of the Waite-Smith Tarot“ erscheinen und ist für echte Tarotkenner eine echte Informations- und Inspirationsquelle!
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