Kritiker führen häufig die fehlende wissenschaftliche Beweisbarkeit an, um Tarot und Astrologie zu widerlegen. Natürlich sind Fragen nach Stichhaltigkeit und Evidenz berechtigt, ich möchte aber auch in diesem Zusammenhang ebenso auf einige Fakten hinweisen, die grundsätzlich nicht beachtet werden, insbesondere in den Medien, die – mit Ausnahme von ein paar Frauenmagazinen – das Kartenlegen und die Sternenkunde ausschließlich für null und nichtig erklären oder gar zu diskreditieren versuchen, indem sie Astrologen gar mit Nationalsozialisten gleichstellen (vgl. Neue Zürcher Zeitung: „Wenn die Erde im Bann der Sterne steht“).
Was von den Medien häufig wohl bewusst unterschlagen wird, ist die Frage, um welche Art von Wissenschaft es sich überhaupt handelt, denn es gibt einige klassische sowie neuzeitliche Wissenschaftszweige, wie beispielsweise die Kultur- bzw. Geisteswissenschaften, Humanwissenschaften, Ingenieurswissenschaften, Naturwissenschaften, Agrarwissenschaften, Sozialwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften… In der Tat sind nur ein Teil dieser Wissenschaftsbereiche „exakte“, also evidenzbasierte Wissenschaften, was bedeutet, dass sie quantitativ und mathematisch präzise Aussagen liefern und über strenge mathematische Methoden oder Versuchsanordnungen zur Überprüfung von Hypothesen verfügen; sie erfordern außerdem Reproduzierbarkeit, müssen also wiederholbar sein. Tatsächlich sehen sich diese Wissenschaften als Gegensatz zu den so genannten „weichen“ Wissenschaften wie beispielsweise den Sozialwissenschaften.
Zusammenfassend kann man also festhalten:
Die Naturwissenschaften basieren auf Wiederholbarkeit und Statistik. Hier kann sowohl das Kartenlegen als auch die Astrologie kaum bestehen, weil jedes Horoskop und jedes Kartenbild einzigartig ist. Nach dieser Theorie müsste der Klient, der man mehrmals hintereinander die Karten legt, zum Beweis jedes Mal immer die gleichen Karten ziehen. Tatsächlich ist das meist nicht der Fall, er zieht aber beim zweiten Versuch möglicherweise eine oder zwei Karten erneut, ansonsten ähnliche Karten. Nach mehrmaligem Kartenlegen ist die Aussage der Karten dann meist so verwässert und ungenau, dass sie keinen Sinn mehr machen. Der Grund ist erklärbar: Die Karten antworten immer auf die aktuelle Frage des Klienten, die er im Unterbewusstsein mit sich trägt. Werden die Karten also mehrmals gelegt, um zu testen, ob jetzt die gleichen Karten erscheinen bzw. ob jetzt eine gleiche Antwort kommt, antworten die Karten nicht mehr auf die Ursprungsfrage, sondern eben auf die Frage, ob man jetzt eine gleiche Antwort bekommt oder nicht. Bei den Horoskopen wird häufig das Beispiel mit Zwillingen angeführt, die dann theoretisch in vielerlei Hinsicht total gleich sein müssten. Hierzu sei gesagt, dass es auch Unterschiede in den Horoskopen von Zwillingen gibt (so wie der Geburtszeitpunkt auch unterschiedlich ist). Hinzu kommt, dass ein Horoskop nicht deterministisch festgelegt ist, sondern lediglich die Anlagen eines Menschen beschreibt, die er auf unterschiedliche Art und Weise ausleben kann (kein Tierkreiszeichen und kein Planet ist nur „gut“ oder „schlecht“). Hinzu kommt noch, dass sie Wissenschaft ein Kenntnisstand ist, der morgen schon wieder überholt sein kann.
Nun gibt es noch weitere Teilbereiche in der Statistik, beispielsweise die deskriptive (Aufbereitung empirischer Daten), die induktive (Herleitung von Ergebnissen aus Stichproben und der Wahrscheinlichkeitstheorie) oder explorative Statistik (systematische Suche nach möglichen Zusammenhängen). Der Tarot oder die Astrologie könnte sicherlich Untersuchungsgegenstand verschiedener Wissenschaftszweige sein, wenn es Interessenten gäbe, die von der Funktionalität überzeugt sind und gleichzeitig mit einem naturwissenschaftlich geprägten Weltbild verwurzelt sind.
Doch wie könnte das funktionieren? Einen interessanten Ansatz bietet Prof. Dr. Oliver Lazar, der durch eine Nachtoderfahrung sein Weltbild änderte und eine Vereinbarkeit zwischen Spiritualität und wissenschaftlicher Beweisbarkeit sieht. Diese lässt sich natürlich auch auf die Astrologie und das Kartenlegen übertragen und ließe sich anhand folgender Kriterien überprüfen:
- Das Liefern von „handfesten“ Beweisen, die nicht nur ein Jenseitsmedium, sondern auch ein Kartenleger oder Astrologe liefern muss: Beispielsweise Tendenzen/Vorkommnisse in der Vergangenheit, Erfassen der momentanen Situation…
- Die Auswirkungen von Beratungen auf Wohlbefinden und Entscheidungsbereitschaft des Einzelnen
- Einflüsse auf die Selbstwahrnehmung und Selbstverwirklichung
- Vergleiche mit anderen Methoden bzw. anderen Astrologen/Kartenlegern.
Ein Kontrapunkte bzw. Einwände sind:
- Ziel einer Kartenlegung oder astrologischen Beratung ist die Konzentration auf den Einzelfall, was Wiederholungen zum Zwecke der Reproduzierbarkeit nicht unbedingt miteinschließt (vgl. die These von Carl Gustav Jung, der von der Qualität des Augenblicks und der absoluten Zufälligkeit ausgeht).
- Exakte messbare Methoden schließen auch die Erfahrung eines Beraters aus
- Bereitschaft des Klientin, der manchmal bestimmte Erwartungen hat.
Für mich persönlich wäre eine „Mischung“ aus beidem ist also ideal: Die Konzentration auf den Einzelfall unter Einbezug von Erfahrungen, die auf Wiederholbarkeit basieren, zu denen auch gelernte Regeln gehören. Meine Überzeugung ist aber auch, dass ein großer Teil der Berater schon lange so arbeitet.
Weiterführende Links:
Homepage von Prof. Dr. Oliver Lazar: Jenseits von Materie
Literatur:
Carl Gustav Jung: „Synchronizität: Der Sinn des Zufalls“
Marie-Luise von Franz „Wissen aus der Tiefe – Über Orakel und Synchronizität“